Die Pride-Parade ist auch in kleinen Städten angekommen. Am Wochenende vom 16. bis 18. Juni fand in Esslingen zum ersten Mal der Christopher Street Day statt, auf dem sich Aktivist*innen mit Ständen, Flyern und Bühnenprogramm für die Rechte der LGBTQIA+ Community stark machten. Der Höhepunkt war eine Demonstration am Samstag-Nachmittag. Über 2000 Demonstrierende waren bei der Parade dabei, wobei die Teilnehmenden nicht unterschiedlicher hätten sein können: Von queeren Verbänden über politische Hochschulgruppen bis hin zu Drag Queens waren alle vertreten. Egal, ob man selbst Teil der LGBTQIA+ Community ist, als Ally Menschen unterstützt oder queere Angehörige und Freunde hat, auf der Demo war jede*r willkommen.
I want my child to live in peace
Aber natürlich geht es beim CSD nicht nur darum, Spaß zu haben und sich selbst und andere zu feiern. Das Ziel ist, die LGBTQIA Community sichtbar zu machen und den Menschen eine Bühne zu geben, die sonst nicht gesehen werden – wie beispielsweise zwei Eltern, die ein Schild mit der Aufschrift „I want my child to live in Peace“ trugen. „Man darf nicht vergessen, dass wir immer noch um Sichtbarkeit und vor allem um Gleichberechtigung kämpfen müssen“, betonten auch die Organisator*innen auf der anschließenden Kundgebung. Dass Demos wie der CSD in Esslingen möglich seien, sei in Zeiten von Rechtsextremismus keine Selbstverständlichkeit und müsse mit aller Kraft verteidigt werden.
Die Pride-Parade als Kampf um Gleichberechtigung
Um zu sehen, wie wichtig dieser Kampf ist, genügt ein Blick in die USA. Erst vor rund drei Monaten wurde im US-Bundesstaat Tennessee ein Gesetz verabschiedet, das minderjährigen trans* Menschen verbietet, ihr Geschlecht medizinisch angleichen zu lassen. Dabei wurden nicht nur geschlechtsangleichende Operationen verboten, sondern auch Hormontherapien und Pubertätsblocker, die verhindern, dass sich der Körper der Betroffenen entgegen ihrer Geschlechtsidentität entwickelt. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen mit Beginn der Pubertät eine sogenannte Geschlechtsdysphorie ausbilden. Diese tritt auf, wenn die körperlichen Geschlechtsmerkmale nicht deckungsgleich mit der Geschlechtsidentität sind und die Betroffenen psychisch stark und anhaltend darunter leiden. Menschen, die an einer Geschlechtsdysphorie leiden, sind überdurchschnittlich suizidgefährdet – eine Konsequenz, die durch die beschriebenen medizinischen Maßnahmen verhindert werden könnte.
Veranstalter*innen mit Forderungen an die Stadt Esslingen
Für den Kampf eben solcher Rechte stehen die Veranstalter*innen des CSD in Esslingen ein. Die Aktivist*innen hatten sich 2022 zu einer überparteiliche Initiative zusammenschlossen, weil sie kritisierten, dass das Thema sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt nicht in der Verwaltung der Stadt verankert ist. Größere Städte hatten dies als Reaktion auf den 2015 verabschiedeten Baden-Württembergischen Landesaktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte bereits umgesetzt. Auf der Kundgebung am Anschluss der Parade forderten die Veranstalter*innen unter anderem, dass das Amt der Beauftragten für Chancengleichheit um den Bereich Queer/Diversity erweitert wird. Hierbei soll ein Fonds für zivilgesellschaftliche Projekte im Bereich queeres Leben eingerichtet werden. Außerdem fordern die Aktivist*innen einen kommunalen Arbeitskreis, der die Projekte planen und umsetzen soll.
Autorin: Isabell Erb