Am 19. Februar 2020 Jahren ermordete ein Rassist in Hanau neun Menschen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Der rechtsterroristische Anschlag jährte sich dieses Jahr zum dritten Mal und landesweit wurden Veranstaltungen organisiert, um den Ermordeten zu gedenken, gemeinsam zu trauern und für Gerechtigkeit und Aufklärung zu kämpfen. Auch in Stuttgart gab es eine Ausstellung „Wir sind Hanau“, die von der Migrantifa Stuttgart organisiert wurde. Wir vom Campus Falken waren bei der Eröffnung und werden in diesem Artikel davon berichten.
Die Migrantiga Stuttgart organisierte zum dritten Gedenktag der Morde in Hanau eine Kunstausstellung im Württembergischen Kunstverein. Zur Eröffnung der Ausstellung lud Migrantifa auch RednerInnen an, die ihre Gedanken und ihre Kunst in Form von Poetry Slam mit den BesucherInnrn teilten. Die zahlreichen BesucherInnen lauschten den Reden, schauten sich die Ausstellung an und nutzten die Zeit zwischen den Reden, um sich mit anderen Anwesenden zu unterhalten und die Kunstausstellung genauer anzuschauen.
Das Grußwort übernahm die Leiterin des Württembergischen Kunstvereins Iris Dressler. Sie stellte sich und die Ausstellungen in dem Verein vor, erinnerte aber auch an die Opfer des Anschlags in Hanau. Nachdem Frau Dressler auf die Kunst als eine Form von Widerstand und auf Racial Profiling, das direkt hinter dem Verein im Schlosspark am Eckensee oft vorkommt, aufmerksam gemacht hat, übergab sie das Wort an Mersedeh und Kaan.
Mersehed Ghazaei und Kaan von der Migrantifa, die die Ausstellung organisiert haben, sprachen von ihrer Trauer und ihrer Wut über die Morde in Hanau und über das Fehlen der Aufklärung und Folgen. Sie berichteten, dass rechte Gewalt nicht nur in Hanau passierte und dass es kein Einzelfall war, wie es PolitikerInnen gerne nennen, sondern dass dieser allgegenwärtig wäre, denn in Deutschland passierten 55 rechte Gewalttaten an einem Tag. Frau Ghazaei erzählt über das Fehlen der Unterstützung für Gedenkveranstaltungen von der Stadt Stuttgart mit der Begründung, dass es nicht in Stuttgart passiert sei und fragt, ob der Rassismus, der in Stuttgart passiert, egal sei. Des Weiteren betont Frau Ghazaei, dass leere Worte der Solidarität nicht ausreichen und man über politische Verantwortung sprechen müsse. Ihre bewegende Rede beendet Frau Ghazaei mit dem Zitat des ermordeten Ferhat Unvar: „Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst“ und verspricht, dass die Ermordeten niemals in Vergessenheit geraten werden.
Die Künstlerin und Aktivistin Ülkü Süngün ruft den BesucherInnen ins Gedächtnis, dass mit dem Anschlag nicht nur die ermordeten neun Menschen gemeint seien. Die Menschen, die mit dem Anschlag gemeint seien, könnten sich alle noch ganz genau erinnern, was sie gemacht haben, als sie von den Morden erfahren haben und wie sie sich in dieser Nacht in den Schlaf geweint haben. Etwas sei am 19. Februar 2022 in migrantischen Menschen zerbrochen. Frau Süngün spricht auch über die Kontinuität des Rassismus und rechten Terrors in Deutschland und weltweit und spricht über die Geschichte des Hashtags #SayTheirNames. Dieses Hashtag habe als #SayHerName angefangen, um auf die Polizeimorde an Schwarzen Frauen aufmerksam zu machen und sei wichtig, um die Kontinuität zu zeigen und allen Opfern von Rassismus zu gedenken.
Faisal Osman von der Black Community Foundation Stuttgart sprach über die Wut und Enttäuschung darüber, schon wieder fast die gleiche Rede halten zu müssen wie schon vor Jahren, da sich nichts getan habe. Herr Osman spricht über den Vater des Täters in Hanau, der die Hinterbliebenen belästige und darüber, dass in Hanau kein Denkmal für die Ermordeten errichtet wurde. Faisal spricht in seiner Rede außerdem darüber, dass von Rassismus betroffene Menschen keine Empathie und Lippenbekenntnisse, sondern Taten brauchen.
Houda El Medahe vom Forum der Kulturen äußerte sich über die Trauer, Angst und Unsicherheit rassifizierter Menschen und darüber, dass diese Menschen zusätzlich noch Aufklärungsarbeit leisten müssen. Sie sprach die Hoffnung aus, dass struktureller Rassismus irgendwann mit strukturellem Antirassismus ersetzt werde.
Als Vorletztes stellte sich das Legal Café in Stuttgart auf, dass ein selbstverwaltendes Beratungscafé in Bad Cannstatt ist. Das Café versucht, Menschen bei Asylverfahren, Racial Profiling und weiteren schwierigen Situationen zu unterstützen.
Abschließend trug Leonie Hoppel ihren Poetry Slam vor. Sie griff die Worte der ehemaligen Bundeskanzlerin auf, die sagte, dass Rassismus ein Gift sei. Leonie gibt zu bedenken, dass Gift etwas ist, dass injiziert werden muss und wir alle von der Gesellschaft zum Teil vergiftet seien.
Nach den Denkanstößen und bewegenden Worten durch die RednerInnen hatten die BesucherInnen noch Zeit, sich die Ausstellung selbst anzuschauen. Unter anderem waren Gedichte darüber, wie sich Menschen nach Hanau fühlten und Poster, die die Kontinuität des rechten Terrors in Deutschland zeigten, ein Teil der Ausstellung. Der Teil der Ausstellung, den man durch das Fenster von außen sehen kann, schlägt Handlungsmöglichkeiten bei Racial Profiling durch die Polizei vor. Dieses wurde symbolisch in die Richtung des Eckensee ausgehängt, da das ein Ort ist, an dem Racial Profiling sehr oft vorkomme, so die VeranstalterInnen.
Eine Besucherin berichtet, dass die Reden und die Ausstellung sehr informativ waren. „Es war so, als würde dich jemand an die Hand nehmen und dir sagen: ‚Das kannst du tun.‘ Und es war schön, Mal nicht alleine um die ermordeten Menschen in Hanau zu trauern und zu sehen, dass es viele andere Menschen bewegt“, so die Besucherin.
Die Ausstellung „Wir sind Hanau“ geht noch bis zum 09. April 2023. Begleitend wird es noch einige Podiumdiskussionen geben. Mehr Informationen dazu findet ihr auf dem Instagram Account der Migrantifa Stuttgart oder bei dem Link: https://www.instagram.com/p/CoeaQqJMA-4/.
Autorin: Xenia Hoff