Als eine marginalisierte Gruppe leiden LSBTTIQ-Personen täglich unter Ausgrenzung, Stigmatisierung, Diskriminierung und sogar Hass-Kriminalität. Der beste Weg, solchen feigen Attacken entgegenzuwirken, ist es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, sie kennenzulernen und sich mit vielfältigen Lebensweisen auseinanderzusetzen. In diesem Jahr findet vom 15. bis 31. Juli der Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart statt. Eine perfekte Möglichkeit, mit Vorurteilen gegen die LSBTTIQ-Community aufzuräumen und sich für Akzeptanz, Toleranz und eine bunte Gesellschaft starkzumachen. Das findet auch Kevin (27), Philosophie- und Informatik-Lehramtsstudent der Uni Stuttgart.
Campus Falke: Kannst du dich noch an deinen ersten CSD erinnern?
Kevin Schaefer: Ja, mein erster CSD war 2016 in Frankfurt am Main. Zu dieser Zeit befand ich mich gerade in meinem „Glow-Up“. Ich bin damals zusammen mit meinen Freund*innen, die ich aus einem queeren Jugendzentrum kannte, zu der Parade gegangen. Dort wurde mir bewusst, wie vielfältig und bunt unsere Gesellschaft im Inneren eigentlich ist.
Campus Falke: Was bedeutet der CSD für dich?
Kevin Schaefer: Für mich ist es ein Tag, an dem man sich wie die „Mehrheit“ der Gesellschaft fühlt. Es ist ein Ausbruch aus dem cis-heteronormativem Alltag. In der Öffentlichkeit hat man häufig Angst, sich so zu zeigen, wie man ist. Beim CSD steht genau das im Vordergrund: die Vielfalt unserer Gesellschaft. Und natürlich ist es eine großartige Party, bei der man sehr viel Spaß haben kann.
Campus Falke: Bist du aktiv bei der Parade dabei oder schaust du lieber zu?
Kevin Schaefer: Ich nehme aktiv an der Parade teil. Ich laufe zusammen mit meiner Jugengruppe „Königskinder“ von der IHS (Initiativgruppe Homosexualität Stuttgart e.V.) mit. Wir sind eine offene Jugendgruppe für schwule, bisexuelle, trans* und queere Männer* und Jungs*.
Campus Falke: Besucht du nur die Parade oder auch andere Veranstaltungen?
Kevin Schaefer: Teilweise besuche ich auch andere Veranstaltungen. Gerade die CSD-Infomeile ist sehr interessant mit den vielen Ständen. Hier kann man super mit anderen ins Gespräch kommen.
Campus Falke: Welche Veranstaltungen kannst du empfehlen?
Kevin Schaefer: Natürlich die Parade, da sie das Highlight ist, die Stimmung dort am ausgelassensten ist und so viel gute Laune herrscht. Aber es ist generell interessant, Veranstaltungen und Kundgebungen zu besuchen. Man trifft verschiedene und interessant Menschen und kann die Community kennen lernen.
Campus Falke: Der diesjährige CSD steht unter dem Motto „Community.Kraft.Europa“. Was verbindest du damit?
Kevin Schaefer: Der Slogen zielt auf eine gemeinsame Wertordnung ab, die in ganz Europa gelten muss. Gleichheit, Freiheit, Akzeptanz. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns dafür einsetzen und ein Zeichen setzen.
Campus Falke: Bist du nach dem CSD noch bei anderen Organisationen oder Veranstaltungen aktiv?
Kevin Schaefer: Ich bin generell in der Community aktiv, wie bei den Königskindern, und gebe auch Workshops zum Thema „sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“.
Campus Falke: Warum sollten die Stuttgarter Bürger*innen den CSD besuchen?
Kevin Schaefer: Um ein Zeichen für Toleranz und Akzeptanz zu setzen und um zu sehen, wie bunt und vielfältig unsere Gesellschaft eigentlich ist. Der CSD ist immer eine gute Chance, dem tristen Alltag zu entfliehen und anderen zu zeigen, dass es ok ist, anders zu sein. Und natürlich auch, um einfach Spaß zu haben und Party zu machen.
Campus Falke: Findest du, der Kampf um Gleichberechtigung und Anerkennung ist gewonnen, oder gibt es in deinen Augen noch viel zu tun?
Kevin Schaefer: Da muss noch viel passieren. Ich würde sagen, wir haben immer wieder Etappensiege, die sich durch mehr Rechte oder Anerkennung für SBTTIQ-Menschen auszeichnen, dennoch sind wir noch nicht am Ziel. Gerade in Bezug auf Transpersonen. Ein guter Schritt ist der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen), um auf die Probleme der Community hinzuweisen und darauf aufmerksam zu machen.
Campus Falke: Empfindest du die Uni Stuttgart als tolerant und offen, oder gibt es Verbesserungsvorschläge?
Kevin Schaefer: Generell empfinde ich Studierendenstädte als offen und tolerant. Hier gibt es zum Beispiel ein größeres Angebot an queren Partys oder Organisationen. Ich fühle mich an der Uni wohl, vor allem bei den Geisteswissenschaftler*innen in der Stadtmitte. Vor meinem Philosophiestudium habe ich 6 Semester Informatik in Vaihingen studiert und auch dort habe ich mich sehr wohlgefühlt. Im Großen und Ganzen fühle ich mich an der Universität wohler als in der Stadt.
Campus Falke: Hast du schon mal einen „Pride Wein“ getrunken?
Kevin Schaefer: Nein, muss ich aber mal probieren!
Willi Glück
Fotos: Dana Lindner